Revisiting the Gender Pay Gap

Warum es immer noch geschlechterspezifische Einkommensunterschiede gibt

In Österreich verdienen Frauen im Schnitt um rund ein Fünftel weniger als Männer pro gearbeitete Stunde [1] – damit zählt Österreich zu den fünf Ländern mit den ausgeprägtesten geschlechterspezifischen Einkommensunterschieden innerhalb der Europäischen Union. Über die letzten 20 Jahre liegt Österreich nun schon unverändert im Spitzenfeld bezüglich des Gender Pay Gaps. Dies geht unter anderem auch darauf zurück, dass Österreich eine relativ hohe Frauenerwerbsbeteiligung mit circa 68% bei einer gleichzeitig hohen Teilzeitquote von Frauen aufweist. So fällt der Gender Pay Gap Österreichs natürlich höher aus als in Ländern, in denen Frauen zu einem großen Anteil erst gar nicht erwerbstätig sind. So erfreulich eine hohe Erwerbsquote bei Frauen in Österreich auch ist – bei den vorliegenden Lohnunterschieden zwischen Mann und Frau in Österreich ist dies leider nur ein kleiner Trost [2].

Was hinter dem „Gender Pay Gap“ steckt

Um die Problematik dieser Lohnunterschiede faktenbasiert diskutieren zu können, ist es wichtig, die zugrundeliegenden Berechnungen zu verstehen: Man unterscheidet grundsätzlich zwischen einem unbereinigten und einem bereinigten Anteil des Gender Pay Gaps. Im Jahr 2014 verdienen Frauen zwar de facto um 22% weniger als Männer, dies lässt sich aber nicht automatisch mit dem Ausmaß an Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt gleichsetzen. Ein Teil dieser 22% kann zum Beispiel dadurch erklärt werden, dass Frauen tendenziell in anderen Branchen arbeiten, andere Bildungsniveaus haben oder eher Teilzeit als Vollzeit arbeiten. Werden all diese Faktoren berücksichtigt, bleiben allerdings immer noch rund 14% an Einkommensunterschieden übrig, die nicht erklärt bzw. in den Daten erfasst werden können und vereinfacht gesagt nur deswegen bestehen, weil Frauen eben keine Männer sind.

Diese Zerlegung des Gender Pay Gaps gibt zwar Auskunft über die Gründe der Einkommensunterschiede, soll allerdings nicht implizieren, dass der erklärbare Anteil des Gender Pay Gaps weniger problematisch als der unerklärbare ist. In einer chancengleichen Gesellschaft sollten Frauen genauso wahrscheinlich ein hohes Bildungsniveau erreichen, Vollzeit arbeiten oder in gut-bezahlten Branchen landen wie Männer. Vor allem gesellschaftliche Normen – also Vorstellungen davon, welche Rollen Frauen und welche Rollen Männer übernehmen sollten – tragen dazu bei, dass Männer und Frauen schon bei der Ausbildung beginnend unterschiedliche Karrierepfade einschlagen [3].

Sind die Kinder schuld?

Vor allem in Zeiten von Antidiskriminierungsmaßnahmen und einem verschwindenden Unterschied im Bildungsniveau zwischen Männern und Frauen, lässt der persistente Gender Pay Gap in fast allen europäischen Ländern – so auch in Österreich – viele ratlos zurück.

Kleven et al. wagen einen neuen Ansatz den Gender Pay Gap zu analysieren. Sie versuchen in ihrer Forschung geschlechterspezifische Einkommensunterschiede auf die Geburt von Kindern zurückzuführen -und kommen dabei zu spannenden Erkenntnissen. In ihrer empirischen Arbeit versuchen die AutorInnen Effekte der Geburt des ersten Kindes auf verschiedene arbeitsmarktspezifische Kennzahlen, wie das Einkommen, die gearbeiteten Stunden, oder den Lohn zu schätzen. Dabei werden Männer und Frauen separat betrachtet, um unterscheiden zu können, wie sich die Geburt des ersten Kindes auf die Arbeitsmarktchancen des jeweiligen Geschlechtes auswirkt [4].

Abb. 1: Einkommensunterschiede und die Geburt des ersten Kindes, Österreich und Deutschland [5].

Abbildung 1 spricht diesbezüglich Bände. Auf der x-Achse sind die Jahre vor und nach der Geburt des ersten Kindes aufgetragen, wobei in Periode 0 die Geburt des Kindes stattfindet (auch markiert durch die rote vertikale Linie). Auf der y-Achse ist das Einkommen aufgetragen, gemessen relativ zu jenem Einkommen, das eine Person im Jahr vor der Geburt des ersten Kindes erhielt. Die grauen Graphen beziehen sich auf Österreich – aufgesplittet für Männer und Frauen.

Es wird deutlich, dass der Gender Pay Gap bei kinderlosen Männern und Frauen nur marginal ist, während die Einkommensunterschiede von Müttern und Vätern erschreckend sind. Nach der Geburt des ersten Kindes fällt das Einkommen von Frauen stark ab, während Männer in ihren Arbeitsmarktchancen völlig unbeeinflusst zu bleiben scheinen. Selbst zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes können Frauen nicht mehr aufholen, wodurch ihr Einkommen langfristig im Schnitt um 51% geringer ausfällt (Long-run Child Penalty) [5]. Der „Long Run Child Penalty“ bezieht sich im Gegensatz zum Konzept des Gender Pay Gaps nicht auf (Stunden-)Lohnunterschiede, sondern auf absolute Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen. Dieser langfristige geschlechterspezifische Einkommensunterschied setzt sich aus drei Teileffekten zusammen: In Folge der Mutterschaft erfahren Frauen Lohneinbußen, reduzieren ihre Arbeitszeit oder hängen die Erwerbstätigkeit ganz an den Nagel [4]. Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch für Deutschland ab, sowie für das vermeintlich besonders egalitäre Land Dänemark [5].

Wieso? Weshalb? Warum?

Es bleibt die Frage, wie und warum diese großen Einkommensunterschiede nach der Geburt des ersten Kindes zustande kommen. Kurz nach der Geburt eines Kindes spielen vor allem Karenzregelungen eine große Rolle: Je länger Frauen in Karenz bleiben, desto größer sind ihre dadurch entstehenden Nachteile auf dem Arbeitsmarkt. Es wäre allerdings anzunehmen, dass Frauen, nachdem sie aus der Karenz zurückkehren, im Vergleich zu Männern wieder aufholen können – dass dies offensichtlich nicht so ist, liegt vor allem an Gendernormen und kulturell geprägten Rollenbildern [5]. Gendernormen und Vorstellungen darüber, wer für die Erziehung eines Kindes verantwortlich ist, werden hauptsächlich über Erziehung und Familienverhältnisse geprägt. Frauen orientieren sich in ihren Rollenbildern stark an ihren eigenen Müttern – wer in einer traditionellen Familie nach dem Male-Breadwinner-Modell aufwuchs, ist als Frau auch eher bereit in der Karriere zurückzustecken [4].

Um geschlechterspezifische Einkommensunterschiede nachhaltig zu reduzieren, sind Kinderbetreuungsplätze, Väterkarenz und ähnliche politische Maßnahmen also ein wichtiger erster Schritt. Diese reduzieren aber nicht zwingend die langfristigen geschlechterspezifischen Einkommensunterschiede in Folge der Geburt eines Kindes. Eine wahrhaftige Gleichstellung von Mann und Frau auf dem Arbeitsmarkt kann erst erfolgen, wenn veraltete idealtypische Vorstellungen über die Frau als soziale liebevolle Mutter und den Mann als starken Karrieretypen endlich aufgebrochen werden.

[1] Gemessen an den Bruttostundenverdiensten in der Privatwirtschaft
[2] Statistik Austria (2019): Gender Statistik – Einkommen. https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender-statistik/einkommen/index.html
[3] Statistik Austria (2019): Gender Statistik – Bildung https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender-statistik/bildung/index.html
[4] Kleven, Henrik/ Camille Landais/ Jakob Egholt Søgaard (2018): Children and gender inequality. Evidence from Denmark. No. w24219. National Bureau of Economic Research.
[5] Kleven, Hendrik/ Landais, Camille/ Posch, Johanna/ Steinhauer, Andreas/ Zweimüller, Josef (2019): Child Penalties Across Countries: Evidence and Explanations. NBER Working Paper.

Elisabeth Wurm ist Teilnehmerin des 11. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie.

 


Beitrag veröffentlicht

in

, ,

von

Schlagwörter: